Deutsche Oberhirten Auf Ad-Limina-Besuch

Visite als eine „synodale Übung“

Verpflich­tende Besuche der Bischöfe in Rom sind seit dem vierten Jahrhundert bezeugt. Für die deutschen Bischöfe ist es wieder soweit: Am 14. November reisen sie zum Ad-Limina-Besuch zu Papst Franziskus. Insbesondere in Bezug auf den nationalen „Synodalen Weg“ rechnen Beobachter mit schwierigen Gesprächen. Unsere Zeitung fragte Weltkirche-Bischof Bertram Meier, den Oberhirten von Augsburg, nach seiner Einschätzung.

Herr Bischof, der „Synodale Weg“, seine Beschlüsse und Textvorlagen haben bei verschiedenen Fachstellen in Rom für Aufregung gesorgt. Rechnen Sie damit, dass es deswegen beim Ad-Limina-Besuch zur Auseinandersetzung kommt?

Zunächst muss ich etwas klarstellen: Wenn Sie von „Fachstellen in Rom“ sprechen, ist mir das etwas zu tiefgestapelt. Wir besuchen sogenannte Dikasterien, Behörden, die in einer doppelten Dienstleistung stehen: Sie dienen sowohl dem Papst als Leitungsinstrumente als auch den Ortskirchen auf der ganzen Welt, um sich zu vernetzen und kompetent an der Einheit zu knüpfen. Ich meine auch, dass wir nicht so sehr von Aufregung reden sollten als vielmehr von einer gewissen Besorgnis, die in Rom herrscht. Mancher im Vatikan scheint zu fragen: Was machen die Deutschen auf dem Synodalen Weg? Ich gehe davon aus, dass keiner in Rom Interesse an harter Auseinandersetzung hat. 

Aus meiner Zeit am Vatikan weiß ich: Die Erfahrung um Martin Luther sitzt südlich der Alpen tief. Wir sollten die Erinnerung an die Reformation zwar nicht als Trauma pflegen. Doch es besteht Erklärungsbedarf. Wir Bischöfe sind in einer Art Bringschuld. Die Kunst wird sein, den Synodalen Weg, den wir in Deutschland gehen, in die synodalen Prozesse der Weltkirche einzuklinken.

Müssen die deutschen Bischöfe mit verbindlichen Handlungsvorgaben Roms rechnen – oder wird es eher Empfehlungen und Ratschläge zur Lage in Deutschland geben?

Ich bin kein Prophet, aber wie ich den Stil des Heiligen Stuhls kenne, ist es das Interesse Roms, dass wir höflich und respektvoll als Brüder miteinander reden, dabei aber auch die Probleme und Spannungen ehrlich benennen. Die Römer sind in der Regel keine Poltergeister, sondern lieben die leisen Töne. Da müssen wir gut hinhören. So sehe ich im Ad-limina-Besuch eine „synodale Übung“: einander aufmerksam zuhören und wohlwollend anhören. Darum geht es. Sonst leben wir von freundlichen Lügen, weil uns zur Wahrheit die Liebe fehlt. Ich bin schon gespannt, welche konkreten Orientierungshilfen uns in Rom mitgegeben werden, um den Synodalen Weg weiterzugehen.

An den Türschwellen (lateinisch: Limina) der Grabeskirchen der Apostel soll neben den Gesprächen auch die Liturgie, das Lob Gottes im Mittelpunkt stehen. Für Sie, der Sie lange in Rom wirkten, wird es auch ein Wiedersehen mit vertrauten Stätten. Freuen Sie sich schon darauf – oder wiegt die Mühe der Vorbereitung schwerer?

Rom ist für mich immer eine Oase. Es müssen nur wenige Tage in der Ewigen Stadt sein, aber schon die Luftveränderung – auch kirchlich – tut mir gut. Manches relativiert sich. Ich spüre: Unsere „germanische“ Präzision und die „romanische“ Gelassenheit müssen sich nicht ausschließen, im Gegenteil: Sie können sich ergänzen und damit befruchten. 

Letztmals waren die Vertreter der Deutschen Bischofskonferenz 2015 bei Papst Franziskus – da noch ohne Sie. Jede Diözese musste einen Bericht vorlegen. Was war Ihnen jetzt in Bezug auf das Bistum Augsburg besonders wichtig?

Eigentlich wäre ich als „Küken“ der deutschen Diözesanbischöfe gar nicht verpflichtet, einen ausführlichen Ad-limina-Bericht einzureichen. Aber ich habe es getan. Zwar leite ich erst knapp drei Jahre das Bistum Augsburg, aber ich dachte mir: Aufgrund meiner verschiedenen Tätigkeiten im Bistum und als enger Mitarbeiter meiner Vorgänger ist es nur sinnvoll, über den Ist-Stand zu berichten. Dabei habe ich auch einen Ausblick in die Zukunft gewagt.

Für mich gibt es folgende Herausforderungen: das Themenfeld Missbrauch, die Evangelisierung und vor allem das Verhältnis zwischen Rechtgläubigkeit und Glaubwürdigkeit. Wir stecken als Kirche in einer tiefen Vertrauenskrise, und es braucht viel Zeit, Geduld und Empathie, um dem Evangelium neue Wege zu bahnen. Auch mit Rückschlägen müssen wir rechnen. Für mich ist wichtig, mit Bedacht zu handeln. Rom ist nicht an einem Tag erbaut worden … – also gilt: Nichts verschleppen, aber auch nichts überstürzen! Interview:

Johannes Müller